Anfechtung des Anfangsmietzinses bei Altliegenschaften, Beweislastverteilung und Vermutung der Missbräuchlichkeit

Urteil des Bundesgerichts vom 6. Mai 2021 (BGer 4A_183/2020)

24.06.2021
Anfechtung des Anfangsmietzinses bei Altliegenschaften, Beweislastverteilung und Vermutung der Missbräuchlichkeit

Das Bundesgericht äussert sich im besprochenen Entscheid zur Frage, welche Partei (Mieter oder Vermieter) im Streitfall zu beweisen hat, ob der Anfangsmietzins im Vergleich mit orts- oder quartierüblichen Mietzinsen missbräuchlich ist oder nicht.

Das Bundesgericht musste sich mit einer Erhöhung des Mietzinses einer Altbauwohnung von 44 % befassen. Die Vermieterin begründete die Erhöhung mit "Anpassung des Mietzinses an die orts- und quartierüblichen Verhältnisse". Die Vorinstanz taxierte die Mietzinserhöhung als missbräuchlich. Das Bundesgericht hob dieses Urteil auf und wies die Angelegenheit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurück.

Das Bundesgericht hält zunächst fest, dass die Missbräuchlichkeit eines Anfangsmietzinses bei Altliegenschaften vorrangig nach dem Kriterium der Orts- und Quartierüblichkeit zu beurteilen ist. Diese Beurteilung ist auf Basis offizieller Statistiken (wenn verfügbar) oder anhand von fünf Vergleichsobjekten zu prüfen. Statistik und Vergleichsobjekte müssen den Anforderungen von Art. 11 der Verordnung vom 9. Mai 1990 über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen (VMWG) genügen. Die Beweislast kommt grundsätzlich der Mieterin bzw. dem Mieter zu.

Sofern der Mietzins gegenüber dem früheren jedoch massiv (um deutlich mehr als 10 %) erhöht wird, ist von einer Vermutung der Missbräuchlichkeit auszugehen. Eine solche Vermutung der Missbräuchlichkeit bewirkt jedoch gerade keine Umkehr der Beweislast. Das bedeutet, dass die Vermieterschaft lediglich begründete Zweifel an der Richtigkeit dieser Vermutung mittels Indizien (z.B. inoffizielle Statistik, Privatgutachten u.dgl.) wecken können muss, um die Vermutung umzustossen.

Die Vermutung entfällt, wenn das Gericht unter Würdigung der vorgelegten Indizien, der allgemeinen Lebenserfahrung und seiner Kenntnisse des Mietmarktes zum Schluss kommt, die Vermieterschaft habe begründete Zweifel an der Vermutung geweckt. In diesem Fall obliegt die volle Beweislast der Mieterin bzw. dem Mieter, auch wenn der Anfangsmietzins massiv erhöht worden ist. Nur wenn es der Vermieterschaft nicht gelingt, begründete Zweifel an der Missbräuchlichkeitsvermutung zu wecken, ist zugunsten der Mieterin bzw. des Mieters von der Missbräuchlichkeit auszugehen.

Das Bundesgericht wies die Angelegenheit an die Vorinstanz zurück, da diese noch nicht geprüft hat, ob die Vermieterschaft mittels der dargelegten Indizien begründete Zweifel an der Missbräuchlichkeit geweckt hat.

 

 

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